Sehr geehrte Frau Schubert,
dass Erfurt eine starke Gleichstellungsbeauftragte braucht, haben die letzten anderthalb Jahre sehr deutlich gezeigt. Vor diesem Hintergrund waren wir froh, dass es trotz des verheerenden Umgangs vonseiten der ehemaligen Stadtspitze mit Frau Witzmann viele Bewerbungen gab. Es macht Mut, dass es viele Menschen gibt, die sich solidarisch für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Diskriminierung einsetzen wollen.
Für uns ist dabei klar: der Kampf gegen das Patriarchat ist ein gemeinsamer. Denn die unterdrückenden Normen des Patriarchats treffen nicht nur cis Frauen, sondern auf andere Weise, aber nicht weniger heftig auch trans Personen und nichtbinäre Menschen. Und oft leiden auch cis Männer selbst unter starren, tradierten Geschlechtervorstellungen. Deshalb halten wir es für unabdingbar, den Kampf gegen das Patriarchat als einen solidarischen Befreiungskampf für Menschen aller Geschlechter und sexuellen Orientierungen zu führen – ohne sich gegeneinander ausspielen zu lassen.
Vor diesem Hintergrund sind wir als grüne Fraktion höchst irritiert über Ihre Mitgliedschaft in einem Verein, der das genaue Gegenteil davon tut. Wenn unter den Positionen des Vereins geschrieben wird, dass der Verein sich „für die Beibehaltung eines Geschlechtsbegriffs, der an die unveränderliche biologische Binarität anknüpft“ einsetze, dann werden damit etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse negiert, die spätestens seit Judith Butler allgemein bekannt sein sollten.
Schlimmer noch: mit dieser Aussage, die keinen Raum für Interpretationen lässt, wird allen trans, nichtbinären und agender Personen ihre Existenz abgesprochen.
Aus Gesprächen mit queeren Personen wissen wir, dass diese über die Positionen des Vereins schockiert sind und mit diesem Wissen äußern, dass sie große Vorbehalte hätten, Sie als Ansprechpartnerin aufzusuchen – ob das gerechtfertigt ist oder nicht, können wir nicht beurteilen. Wir halten es aber für wichtig, die im Raum stehenden Ängste und Sorgen ernst zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund möchten wir Ihnen gern folgende Fragen stellen:
- Wie werden Sie als Gleichstellungsbeauftragte sicherstellen, dass auch queere Menschen sich von Ihnen gut vertreten fühlen (können) und mit ihren Anliegen auf Sie zukommen?
- Werden Sie die Mitgliedschaft im Verein frauenheldinnen.e.V. ruhen lassen, solange Sie Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt sind, um ein Signal zu senden, dass Sie Gleichstellungsbeauftragte für alle Erfurter*innen sein wollen?
Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen schreibt auf ihrer Homepage übrigens zum Thema LSBTIQ:
„Die BAG fordert Geschlechtergerechtigkeit: Viel zu oft wird Personen, die sich als queer verstehen, ihr Wert als Mensch abgesprochen. LSBTIQ+ steht dabei für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans-, intergeschlechtliche sowie queere Menschen. Die Positionierung gegen ausgrenzende und homophobe Anfeindungen ist Teil unserer Arbeit. Die Perspektive von queeren Menschen ist wichtig im Kontext von Antifeminismus, der Umsetzung der Istanbul-Konvention, der Arbeit mit der Europäischen Gleichstellungscharta, im Bereich Care- und Erwerbsarbeit. Geschlechtergerechtigkeit fängt im Kopf an. Denn erst wenn es ein gesellschaftliches Bewusstsein für die unterschiedlichen Belange gibt, kann sich auch was ändern.“
Dieser Position können wir uns anschließen und wünschen uns, dass es selbstverständlich ist, dass diese Grundsätze auch für das Erfurter Gleichstellungsbüro gelten. Daher hoffen wir auf eine baldige Antwort von Ihnen.
Mit feministischen Grüßen,
Laura Wahl, Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ramona Wuttig, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nachfolgende Ergänzung: Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass Judith Butler das Massaker an Jüd*innen vom 7. Oktober rechtfertigt und die Terrororganisation Hamas immer wieder verharmlost. Diese Aussagen, von denen wir heute erst erfahren haben, sind untragbar und hiervon distanzieren wir uns! Danke für die Hinweise.
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