Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Erfurt

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Andreas Bausewein,

Erfurt muss neue Schulen bauen und die bestehenden sanieren, denn der Zustand und die Auslastung unserer Schulen sind an ihre Grenzen gekommen. Darüber sind sich alle Fraktionen einig. Wir müssen damit so schnell wie möglich beginnen. Deshalb hatten wir als grüne Fraktion auch beantragt, den Schulnetzplan bereits im April im Stadtrat zu beschließen. Das wurde vor allem durch die SPD und die CDU aber auch durch Sie abgelehnt. Was Sie in der Öffentlichkeit nicht gesagt haben ist, dass für Baumaßnahmen an Schulen für 2019 21 Mio. Euro und für 2020 34 Mio. Euro im Haushalt bereits beschlossen und eingestellt sind. Damit sind nun weitere wertvolle 6 Wochen verstrichen, ohne, dass etwas passiert ist.

Um dieses umfangreiche Investitionsprogramm zu finanzieren, welches nach Ihrer mündlichen Aussage für die nächsten Jahre Investitionen in Höhe von 450 Mio. Euro erfordert, haben Sie vor einiger Zeit den Verkauf der KOWO ins Gespräch gebracht. Seit Monaten fragen wir Sie nach einem Konzept und belastbaren Zahlen, aber bisher haben Sie nichts vorgelegt. Und nun das: In einem Änderungsantrag zum morgigen Stadtrat fordern Sie die Stadträt*innen auf, die Verwaltung mit der „schrittweisen Einlage der Geschäftsanteile der Kommunalen Wohnungsgesellschaft mbH Erfurt in die Stadtwerke Erfurt GmbH zur Finanzierung des Schulnetzplanes“ zu beauftragen. Kein Finanzierungsplan, keine Aussage zu einem Eigenbetrieb Schulen, kein Zeitplan.

Einen Blankoscheck über 450 Mio. Euro ohne Vorlage, worauf diese Ausgaben konkret beruhen und woher die Einnahmen kommen sollen – das halten wir für verantwortungslos!

Das ist ein Stückwerk sonders gleichen. Im Amtsblatt vom 1.3.2019 sprechen Sie von einem: „Deal“ zum Vorteil von Stadt und KoWo, der Erfurt zusätzliches Geld für die Schulsanierungen in die Kassen spülen soll. Die Landeshauptstadt verkauft der Wohnungsgesellschaft Grundstücke im Werte von 30 Millionen Euro, darunter Flächen wie die Eichenstraße, die frühere Stadtwirtschaftsfläche an der Liebknechtstraße, den städtischen Anteil an der Marienhöhe sowie Pachtflächen an der Arnstädter Straße. Der Verkauf dieser Grundstücke wurde bereits in der April-Stadtratssitzung mehrheitlich beschlossen. Auch diese Entscheidung wurde ohne ein Konzept beschlossen, welche Pläne die Kowo mit diesen Grundstücken verfolgt. Deshalb haben wir dagegen gestimmt.

Gestern haben Sie, Herr Oberbürgermeister, eine Großanzeige in der „Thüringer Allgemeinen“ und in der TLZ veröffentlicht: „Schulsanierung jetzt! Stadtwerke in die KOWO.“ Parolen jedoch helfen uns hier leider nicht weiter.

Wir Bündnisgrüne sprechen uns vehement gegen den Verkauf der Kommunalen Wohnungsgesellschaft an die Stadtwerke Erfurt GmbH aus. Die Stadtwerke, die neben der BUGA in Zukunft noch die Bädersanierung und den Neubau einer Schwimmhalle zu stemmen haben, dürfen nicht weiter belastet werden. Wir meinen, Mieterinnen und Stadtwerke in Unsicherheit zu stürzen, um den Schulbau zu finanzieren, ist keine tragfähige Strategie. Es ist eine Pflichtaufgabe der Stadt, ihre Schulen zu sanieren und bei Bedarf neu zu bauen. Diese Aufgabe muss von der gesamten Stadtgesellschaft getragen werden. Zwei der großen Aufgaben der Stadtpolitik: Schul- und Wohnungspolitik dürfen hier nicht gegeneinander ausgespielt werden. Deshalb schlagen wir vor, den Schulnetzplan umgehend zu verabschieden und sofort mit den 55 Mio Euro, die für die nächsten beiden Jahre für Planung und Sanierung im Haushalt 2019/20 bereits zur Verfügung stehen, zu beginnen. Wir schlagen weiter vor, dass die Stadt jährlich in den Haushalt 25 Mio Euro Investitionsmittel für die Schulsanierung und den Schulneubau einstellt, die auch als Kredite aufgenommen werden können.. Darüber hinaus soll aus den bisher nicht verausgabten Mitteln im Haushalt eine Schulbaurücklage gebildet werden. 2018 konnten bereits bereitgestellte Investitionsmittel in zweistelliger Millionenhöhe nicht ausgegeben werden, diese sollen nach unserer Auffassung zweckgebunden zurück gestellt werden. Auch der Bund und das Land haben den großen Bedarf an Fördernotwendigkeiten für Schulen erkannt. Hier soll die Stadt alle Fördermöglichkeiten in Anspruch nehmen. Aber auch hier gilt: ohne beschlossenen Schulnetzplan besteht kein Recht auf Antragstellung für Fördermittel. In den letzten Monaten haben wir intensiv recherchiert, Kontakt zu anderen Städten aufgenommen und Meinungen mit den Erfurterinnen ausgetauscht, alles in großer Offenheit und mit viel Interesse. Eine Akteneinsicht in die „Erstellung eines Wirtschaftsplans im Rahmen der Gründung des Eigenbetriebs Schulen“, für die wir einen konkreten Antrag gestellt hatten, wurde uns bis heute verwehrt.

Deshalb werben wir morgen im Stadtrat für die Zustimmung aller zum Schulnetzplan, sprechen uns jedoch gegen das Junktim mit einem Blankoscheck aus. Stattdessen haben wir einen konkreten Änderungsantrag erarbeitet, der die überfällige Schulsanierung und den Schulneubau auch ohne einen Verkauf der KOWO ermöglicht und hoffen auf breite Unterstützung dafür.

Wir halten diesen, unseren Vorschlag für belastbar und abgesichert und freuen uns auf die kontroverse Debatte.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Thumfart
Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN          

Astrid Rothe-Beinlich
Spitzenkandidatin BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

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