Stilkritik: Ordnungsamt ist kein lustiges Abenteuer! Warum die Stadt trotzdem Personal in sozialen Medien anwerben sollte.

Mia Tausend, Lena Kuhn und Jasper Robeck

Am 16. Oktober 2023 startete die Stadtverwaltung eine Kampagne zum Anwerben von Personal für den Stadtordnungsdienst. Den Beginn des öffentlichkeitswirksamen Anwerbens macht ein Video aus, mit welchem die Arbeit im Stadtordnungsdienst den Zuschauenden nähergebracht werden soll. Warum dieses Video ein kläglicher Versuch ist, kompetente Mitarbeitende für diesen Beruf anzuwerben und Vertrauen verspielt.

Eine Verabenteuerlichung der komplexen Arbeitsbereiche und Verantwortungen des Stadtordnungsdienstes

Eine Szene dreht sich um das Durchsetzen eines Platzverweises: Der Untertitel mit dem Wortlaut „Wir helfen beim Umzug“ wirkt auf die Betrachtenden wie ein schlechter Witz, denn in der gezeigten Szene wird eine Person mit körperlichem, unmittelbarem Zwang dazu gedrängt ihren vorherigen Aufenthaltsort zu verlassen, sowie eine zweite Zivilperson grob zur Seite geschlagen.

Diese Szenen zeigen einen möglichen Einsatz und eine ernstzunehmende Aufgabe, durch die dem Video unterlegte Musik und den stark ironischen Untertitel, gleicht die ganze Szene allerdings eher einem Actionfilm mit versucht „lustigem“ Untertitel.

Doch der Arbeitsalltag eines Mitarbeiters im Stadtordnungsdienst gleicht wohl kaum einem Abenteuer und die Durchsetzung von Ordnungsrecht ist wohl kaum ein „Erlebnis“. Das Video zeigt in keiner einzigen Szene den Ernst des Alltags und ein verhältnismäßiges Vorgehen des Stadtordnungsdienstes und übergeht die Bedeutung sozialer Kompetenzen in dem Job.

Ein angeblicher „Abenteueraspekt“ des Jobs wird wohl kaum Personal anwerben, das ernsthaft und grundrechtsbeachtend den Tätigkeiten des Stadtordnungsdienstes nachgeht. Dass der „Erlebnis“-faktor des Jobs keine wirklich ausschlaggebende Motivation ist Sicherheits- und Ordnungshüterin zu werden, zeigen auch zahlreichen Befragungen von Polizistinnen (vgl. u.a. MEGAVO Polizeistudie der DHPol 2022). Die gezeigten abenteuerlich-wirkenden Szenen des Arbeitsalltags des Stadtordnungsdienstes wirken kaum wie ein Grund, diesen Beruf zu wählen.

Darstellung von staatlicher Gewalt und unmittelbaren Zwang

Im Werbevideo wird auch die Machtposition des Berufes sehr zentral und deutlich dargestellt. Nicht nur, dass der Stadtordnungsdienst Durchsetzungsmacht hat, weil sie „für Recht und Ordnung sorgen“, sondern das Video zeigt auch sehr deutlich, dass zur Durchsetzungsmacht körperlicher Zwang angewendet werden darf. Hierbei sollte Ernsthaftigkeit zu erwarten sein.

Eine Szene zeigt auch den Umgang mit Jugendlichen: In der Szene wird aber das Machtgefälle der Mitarbeiter*innen des Außendienstes gegenüber der*m Jugendlichen noch stärker betont als im Rest des Videos. Die Darsteller*innen des Stadtordnungsdienstes nehmen das starke Machtgefälle zu Zivilpersonen in keiner Szene ernsthaft wahr, sondern es wird immer wieder ins Lächerliche gezogen.

Natürlich sind Mitarbeiter*innen des Stadtordnungsdienstes gut ausgebildet und kennen das geltende Ordnungsrecht ganz genau, allerdings ist auch Anspruch der Erfurter Ordnungsbehörde bürger*innennah und für alle Menschen ansprechbar zu sein. Das geht über die Demonstration von Ordnungsmacht hinaus.

Wen spricht die Kampagne an sich zu bewerben?

Da das Video Machtpositionen der Mitarbeiter*innen in den Vordergrund stellt und ein martialisches Auftreten, unterlegt mit harter Rockmusik, zeigt, führt diese Darstellung auch zu entsprechenden Bewerbungen beim Stadtordnungsdienst. Die Erwartung von Sozialkompetenzen, deeskalierenden Vorgehen oder serviceorientierter Arbeit bleiben unsichtbar. Die Abwesenheit führt dazu, dass Personen mit entsprechenden Fähigkeiten, die wir so dringend in der Verwaltung bräuchten, sich nicht abgebildet sehen. Vor dem Hintergrund, dass darüber hinaus weitere Diversitätsmerkmale nicht auftauchen, brauchen wir uns hinterher nicht wundern, wenn beispielsweise FLINTA* oder B(I)PoC auf eine Bewerbung verzichten. Dabei wäre das so wichtig, weil es bei einem angespannten Personalmarkt im öffentlichen Dienst diese Gruppen braucht – auch für Repräsentation und Vertrauen in die Behörden.

Ein Werbevideo der Polizei Berlin beispielsweise zeigt, wie man Diversität der Mitarbeiterschaft ausdrücken und die Vielfalt in Aufgaben und benötigten Kompetenzen besser ausdrücken kann. In dem Zusammenhang wird Nachtkultur übrigens auch als Standortfaktor für Berliner Polizei betrachtet, statt als regelmäßiger Einsatzort, dem der Gesetzesbruch subtil unterstellt wird. Man hört, dass das Thüringer Beamt*innen ähnlich betrachten.

Polizei- und Ordnungsamtsarbeit sind Vertrauensarbeit

Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse die letzten Jahre machen deutlich, dass die Arbeit von Polizei oder ferner auch Ordnungsämtern, Vertrauensarbeit ist. Viktimisierungsstudien wie die vom BKA machen deutlich, dass insbesondere in marginalisierten Communitys das Vertrauen in diese Behörden gering ist. Entsprechend drückt sich auch die Ablehnung und das Misstrauen auch im täglichen Einsatzgeschehen wieder. Das Video hätte mit Darstellung von Diversität auch die Chance gehabt, diese Vertrauensarbeit zu leisten und eine Ansprechbarkeit für alle Bürger*innen stärker hervorzuheben. Die Darstellungen verschiedener Szenen mit unmittelbarem Zwang helfen in dem Zusammenhang nicht, die Ordnungsbehörde als kommunikative Organisationsarbeit zu betrachten.

Experiment Verwaltung im Internet: Bitte besser machen, statt nicht mehr machen!

Es bleibt aber auch festzuhalten: Das Werbevideo der Stadt hätte viel Potenzial haben können. Videos in den Sozialen Medien sind absolut kein unpassendes Medium für eine Personalkampagne. Auch der öffentliche Dienst muss eine moderne Sprache finden, um Mitarbeiter*innen anzuwerben und man kann bei Werbekampagnen auch einen witzigen Ton setzen oder zu ulkig wirkenden Mitteln greifen. Die Stadtverwaltung sollte, wie hier, statt der versteckten Ausschreibung im Amtsblatt öfter andere Wege nutzen. Dabei muss sich die Verwaltung bewusst sein über die mediale Wirkmacht ihrer Darstellungen.

Die Umsetzung in diesem Fall ist höchst problematisch, wie ausführlich beschrieben. Clubkultur wird in diesem Format kriminalisiert, die Darsteller*innen der Beamten treten martialisch auf und unmittelbarer Zwang wird viel dargestellt. Auf solch eine Art und Weise die Arbeit des Stadtordnungsdienstes darzustellen, lädt bestimmt nicht – wie Rathaus-Sprecher Henry Köhlert in der Presse verlauten ließ – „normale Menschen, die den Job ernstnehmen“ ein, sondern geradezu eher „Krawallos“.

Anders umgesetzt können solche Formate ein Mittel sein, um einen modernen öffentlichen Dienst zu schaffen, Diversität zu fördern und die Verwaltung ins digitale Zeitalter zu holen.

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